von Prof. Dr. Dirk Wicke
Im Sommer 2023 gelangten mit einer Schenkung 285 Objekte aus dem Vorderen Orient in die Altorientalische Sammlung der GU nach Frankfurt. Darunter befanden sich auch 105 Siegel, welche die Entwicklung der altorientalischen Siegelkunst nahezu lückenlos dokumentieren. Die Originalsiegel ergänzen den bisherigen Sammlungsbestand von ca. 500 Siegelungen auf Knete unterschiedlichster Provenienz in idealer Weise.
Altorientalische Siegel dienten damals wie heute zur Beglaubigung von Dokumenten oder Warenlieferungen, aber auch zur Sicherung von Behältern oder Räumen. Die ersten Siegel in Form von Stempelsiegeln mit einfachem geometrischen Dekor oder häufig auch Tierdarstellungen finden sich im Alten Orient bereits im 7. Jt. v. Chr. Mit der Differenzierung der Verwaltung und dem Schreiben von Keilschrift auf Ton, wird in der Mitte des 4. Jt.s das Rollsiegel entwickelt, welches auf weichem Ton abgerollt zum wichtigsten Bildträger für den Alten Orient werden soll. Nur wenige Zentimeter hoch, sind auf seiner Mantelfläche detaillierte Miniaturkunstwerke eingraviert, die die künstlerische Entwicklung des Alten Orients beispielhaft demonstrieren.
Bei dem Rollsiegel mit der Inventarnummer AO 2023-025 handelt es sich um ein 2,05 cm hohes Rollsiegel mit einem Durchmesser von 0,95 cm aus einem harten, leicht grünlichen Stein, möglicherweise Serpentinit. Hauptmotiv der Szene ist ein Beter in anbetender Haltung vor einer weiblichen Gottheit in Stufengewand; zwischen beiden als Füllmotiv ein sog. Kugelstab. Das Bildfeld hinter dem Beter ist mit kleineren Nebenmotiven gefüllt: eine liegende Sphinx und ihr gegenüber ein Mischwesen aus menschlichem Körper mit dem Kopf eines Ziegenbockes; darüber einander zugewandt zwei kleinere kniende Figuren, die linke menschlich, die rechte mit Tierkopf und Stab. Zwischen den Figuren weitere Füllmotive.
Solche Anbetungsszenen sind sehr häufige Motive auf altorientalischen Rollsiegeln und drücken allgemein die Religiosität des Siegelbesitzers aus, ohne dass hier die Gottheit näher benannt werden kann. Ungewöhnlich bleibt, dass die Göttin keine Kopfbedeckung trägt, wie eigentlich für Götter üblich. Die Nebenmotive hier scheinen einen weiteren mythologischen Hintergrund zu haben und sind in ihrer Bedeutung schwer zu deuten.
Die Motive und der plastische Stil der Gravur spricht für eine Herkunft des Rollsiegels aus Syrien; es dürfte etwa in das 17.-16. Jh. v. Chr. datieren. Trotz der kleinen Größe besticht das Siegelbild durch die feinen Details etwa der Frisuren und Gewänder, die sehr plastisch herausgearbeitet sind.
Die Siegel werden aktuell in einem Seminar als direkte Beispiele für die unterschiedlichen Epochen und die Entwicklung der altorientalischen Siegelkunst eingesetzt. Die Studierende haben insofern die Möglichkeit bekommen, mit tatsächlichen Objekten umzugehen, die Siegel abzudrücken bzw. abzurollen und ausgewählte Siegel für die Sammlungsdatenbank zu erschließen. Begleitet wird das Seminar und Erschließungsprojekt durch online Kurs „DOLCE“, geleitet von Dr. Judith Blume, Sebastian Burger und Lotta Zipp, in dem Grundkenntnisse im Umgang mit Datenbanken allgemein und der Sammlungsdatenbank CODA vermittelt werden. Insofern gehen hier Lehre und (Provenienz-)Forschung in der Sammlungsarbeit zusammen. Zu einer weiteren Erschließung soll in Zukunft die 3D-Dokumentation der Siegel gehören, aber auch eine naturwissenschaftliche Bestimmung der Gesteine in Kooperation mit den Geowissenschaften wird angestrebt.
____________________________________________________________________________________________________________________________________ Dirk Wicke ist ein Vorderasiatischer Archäologe und Professor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
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Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.
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